Ostheimer Zeitung
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Die Rhön Nachrichten- und Heimatzeitung
im Biosphärenreservat Rhön
Impressum Mittwoch, 9. Oktober 2019 113. Jahrgang

 
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Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte - 10. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte - 9. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte - 8. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte - 7. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte - 6. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte - 5. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte - 4. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte – 3. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte – 2. Teil
Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön - Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte 1. Teil
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Erhard Baumbach: 110 Jahre Liederkranz Ostheim v. d. Rhön - Ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte 1. Teil


Die Gründungsmitglieder, Dirigent August Träger vorne, dritter von links - Foto v. 1946 (weitere Bilder)
 
Ostheim. Am 5. Oktober 2019 begeht der Liederkranz Ostheim sein 110-jähriges Bestehen mit einem großen Jubiläumsfest ab 19.00 Uhr im Saal der Gaststätte „Erholung“. Ein solches Jubiläum gibt Anlass, sich näher mit der wechselvollen Geschichte des Jubelvereins zu befassen.
    Natürlich stellt sich zuerst die Frage, wie kam es dazu, dass in dem kleinen Städtchen Ostheim v. d. Rhön neben der bereits lange zuvor existierenden Ostheimer Liedertafel ein zweiter Gesangverein und ebenfalls ein Männerchor (anfangs) ins Leben gerufen wurde. Tatsächlich gab es schon seit 1835 den von dem Ostheimer Arzt und späterem Bürgermeister Dr. Christian Glock gegründeten „Verein für gesangliche Darbietungen“. Im August 1843 wurde dieser Verein unter dem Namen „Liedertafel 1843 Ostheim v. d. Rhön“ mit Vereinsstatuten neu gegründet. Wie allgemein bekannt, wurde das 175-jährige Vereinsjubiläum 2018 mit mehreren festlichen Veranstaltungen gefeiert.
    Doch wie und wann entstand der Liederkranz? Eine fast kuriose Geschichte führte zur Gründung und man vermag es kaum zu glauben, der Auslöser war ein umstrittener Kappenabend der Liedertafel Ende Februar 1908. Dort wurden einige Couplets vorgetragen, deren Inhalt von einigen Anwesenden als anstößig empfunden wurden. In heutiger Zeit hätte sich vermutlich niemand daran gestört, aber damals dachte man weniger freizügig als heute.
    Jedenfalls schrieb der Lehrer Max Sülzner anonym einen Artikel, der unter der Rubrik „Eingesandt“ am 5. März 1908 in der seinerzeit noch jungen Ostheimer Zeitung erschien.
    Sülzner, selbst aktives Mitglied der Liedertafel, kritisierte darin einige der Vorträge und bezeichnete sie als schmutzig.
    Gleich am Tag nach Erscheinen der Zeitung, also am 6. März, berief der Vorstand der Liedertafel eine Sitzung ein, in deren Verlauf die Vorstandschaft – mit Ausnahme des Gesangdirektors August Träger – von ihren Ämtern zurück trat. Als Begründung für diesen außergewöhnlichen Schritt wurde festgestellt, dass durch den Presseartikel der Vorstand und die ganze Liedertafel beleidigt worden seien. Dass Lehrer Sülzner den Artikel verfasst hatte, war inzwischen bekannt geworden. Gesangdirektor Träger, Lehrer und somit Kollege von Sülzner, versuchte in der Folgezeit mehrfach zwischen den Kontrahenten zu vermitteln.
    Die zurückgetretenen Vorstandsmitglieder wollten ihr Amt erst wieder aufnehmen, wenn der Artikelschreiber aus der Gesellschaft (aus dem Verein) ausgeschlossen wird. Bei der Generalversammlung tags darauf (7. März) wurde der Antrag, Lehrer Sülzner aus der Gesellschaft auszuschließen, von den 45 anwesenden Mitgliedern einstimmig angenommen. Daraufhin wurde der Vorstand, ebenfalls einstimmig, wieder gewählt. Versammlungsleiter war, nachdem die Liedertafel zu Beginn der Versammlung aufgrund des Rücktritts vom 6. März keinen Vorstand hatte, Paul Hoffmann. Dieser wurde im Januar 1909 Nachfolger von August Träger als Gesangdirektor der Liedertafel und übte von 1919 bis 1925 das Amt des Bürgermeisters von Ostheim aus.
    Nachdem Sülzners „Entschuldigung“ nicht in der abgesprochenen Form in der Ostheimer Zeitung erschienen war, beschloss man in der Generalversammlung vom 18. März 1908 erneut dessen Ausschluss aus der Gesellschaft. Nun erklärten auch Rektor Heinrich Seyd, Lehrer und Kantor August Träger und der Lehrer und Organist Otto Lämmerzahl ihren Austritt aus der Gesellschaft.
    Nach längerem Hin und Her, das auch über die Presse (Ostheimer Zeitung und Rhön- und Streubote) lief, meldeten sich die Herren Seyd, Träger und Lämmerzahl wieder zur Liedertafel an unter der Voraussetzung, dass auch Sülzner wieder aufgenommen wird. Am 25. Januar 1909, also fast ein Jahr nach Beginn des Streites, wurden alle vier Lehrer wieder in die Liedertafel aufgenommen. Damit war der Streit beigelegt und der Friede im Verein Liedertafel schien wieder hergestellt.
    Allerdings scheint die Angelegenheit doch nicht völlig bereinigt gewesen zu sein, denn am 9. Juni 1909 gründeten 23 sangesfreudige Männer aus allen Bevölkerungsschichten auf Anregung von August Träger den Gesangverein „Liederkranz Ostheim v. d. Rhön“ als zweiten Männerchor in unserer Stadt. Lehrer August Träger, vormaliger Gesangdirektor der Liedertafel, wurde nun Gesangdirektor des Liederkranz und Rektor Heinrich Seyd wurde Vorsitzender des neuen Vereins. Nachdem August Träger offenbar die treibende Kraft für die Neugründung war, könnte als Beweggrund für die Vereinsgründung möglicherweise die Tatsache gesehen werden, dass Träger von seinem Amt als Gesangdirektor der Liedertafel zurückgetreten war und die Liedertafel am 13. Januar 1909 Paul Hoffmann zum neuen Gesangdirektor gewählt hatte. Daher konnte Träger sein Amt als musikalischer Leiter bei der Liedertafel nicht mehr antreten.
    Nach einem Bericht der Ostheimer Zeitung vom 12. Juni 1909 wurden außer den Obengenannten der Landwirt Albin Zehner zum Stellvertreter des Vorsitzenden Seyd, der Schuhmacher Emil Sternberger zum Schriftführer und der Schuhmacher Christian Gleichmann zum Kassierer gewählt. Als Vereinslokal wurde der „Weimarische Hof“ bestimmt, die Proben auf Sonnabend 9 Uhr (21.00 Uhr) festgelegt. Die monatlichen Beiträge setzte man mit 20 Pfennig an und das Eintrittsgeld (Aufnahmegebühr) betrug 2 Mark.
    Bereits acht Wochen nach der Vereinsgründung fand am 14. August 1909 im Vereinslokal das erste öffentliche Konzert statt. Im Weimarischen Hof befinden sich heute ein Textilladen (NKD) und das Sportgeschäft Manns. Die „Schillerfeier“ am 10. November 1910 mit Vorträgen von Rektor Seyd und seinen Lehrerkollegen August Träger und Max Sülzner zum Gedenken an den 150. Geburtstag des großen deutschen Dichters fand bei den Ostheimern großen Anklang.
    Nachdem die Weihnachtsfeiertage traditionell von der Liedertafel mit einem Konzert am 1. und einem Ball am 2. Feiertag „belegt“ waren, lud der Liederkranz zu einem „Weihnachtsvergnügen“ am 1. und 2. Januar 1910 ein. Am 1. Abend fand ein Konzert mit anschließender Christbaumverlosung statt und am 2. Abend ein Ball. Nachdem es wenig Sinn macht, Christbäume erst nach dem Weihnachtsfest zu verlosen, wurden vermutlich Geschenke unter einem Christbaum unter den Anwesenden verlost, denn es wurden Geschenke bis zum 30. Dezember erbeten. Der Liederkranz hatte damals schon mehr als 60 Mitglieder.
    In der Hauptversammlung vom 12. Januar 1910 wurde die erste Vereinssatzung des Liederkranz beschlossen. Sie umfasste 11 Paragraphen.
    Wie rührig der Verein schon in seinen jungen Jahren war, zeigt sich daran, dass bereits am 6. März 1910 im Streck’schen Felsenkeller mit dem Volksstück „Schnozelborn“ die erste Theateraufführung erfolgte. Betrachtet man parallel dazu die Geschichte der Liedertafel, kann man ein Wetteifern im Streben nach Erfolg und Anerkennung zwischen den beiden Gesangvereinen unschwer erkennen, was angesichts der Vorgeschichte nicht verwundert.
    Übrigens führte der Liederkranz das gleiche Stück, jedoch in Ostheimer Mundart, eine Woche später nochmals auf.